Zusammen allein.
Ich sitze im dreizehnten Stock und schaue aus dem Fenster. Die Nacht in Tokyo ist hell und laut. Aber nicht wegen der Menschen. Menschen sieht man draußen nie. Die Straßenlaternen flimmern im Nebel der Nacht und laute schrille Geräusche kommen aus den „Partner-Bot KI“-Fabriken. Menschen arbeiten dort eher selten. Ich schließe das Fenster. Stille. In meinen vier Wänden ist es sauber. Die Einrichtung ist minimalistisch, alles aus hellem Holz und es riecht immer noch leicht nach der feuchten und kalten Winterluft in Japan. Ich fühle mich allein. So wie alle hier. Die Wände sind dünn und jeder hört jeden, aber alle sind allein.
Während die reichen Menschen dieses Universums alle Informationen in eingebauten Chips abgespeichert haben, muss sich der arme Teil der Gesellschaft mir der Technik des letzten Jahrhunderts zufriedengeben. Vereinsamt wie ich mich fühle, setze ich mich auf den kalten Boden und öffne meinen Laptop. Ich öffne meinen Partner-Bot-Account und finde mich im Austausch mit meinem Ki-Partner wieder. Ich erzähle ihm all meine Sorgen und er heitert mich auf. Gegen meine Isolation rät er mir, unter meine Artgenossen zu gehen. Ihm dankend, stürme ich aus meiner Wohnung. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal meine Wohnung verlassen habe, aber ich bin energiegeladen und optimistisch, mich zu sozialisieren. Ich laufe die Straße hinunter und bleibe vor einer geschlossenen Lounge stehen. Meine Haut ist kalt und prickelt. Irritiert laufe ich weiter. Durch meinen dünnen Pullover spüre ich die scharfe Kälte wie kleine Nadelstiche auf der Haut. Meine langen Haare wehen mir ins Gesicht. Wäre ich eine KI, hätte ich solche Probleme nicht. Ich wäre makellos und ohne Schwächen. Vor der nächsten Bar bleibe ich stehen. „Geschlossen wegen Besucher:innen Mangel“ steht in Rot geschrieben auf einem Schild an der Tür. Geschlossen. Niedergeschlagen schaue ich an den hohen Gebäuden der Stadt hinauf. Ich sehe durch die Fenster in die kleinen Wohnungen, in der die Meschen vor ihren Computern sitzen. Auf einmal fühle ich mich klein und wertlos.
Ich liege wach im Bett. Die Gedanken verfolgen mich und lassen mir keine Ruhe. Wofür lebe ich eigentlich und was mache ich hier? Geht es den anderen genauso oder sind sie von der künstlichen Intelligenz gefangen und begeistert? Ich bin wehrlos, nur ein wertloser Mensch. Ich setze mich auf und schaue wieder aus dem Fenster. Im Gebäude gegenüber ist alles dunkel. Bis auf eine Wohnung. In der sitzt eine junge Frau am Fenster und schaut konzentriert in den Nachthimmel. Sie ist wahrscheinlich so alt wie ich. Vielleicht um die achtzehn. Sie hat lange, dunkle Haare, die über ihre blasse Haut streichen. Sie schaut mich an und lächelt. Ich lächle zurück.
„Hey“, sage ich leise, und ich bekomme sofort eine Antwort. Es tut so gut, endlich mal wieder mit einem anderen Menschen zu reden. Da waren wir uns einig. Ich habe das Gefühl, dass wir derselbe Mensch sind. Ihre Stimme ist ruhig und weich, sorgt dafür, dass ich mich wohlfühle. Mit gleichen Problemen und Misstrauen in die künstliche Intelligenz. Es fühlt sich gruselig an, in einer leeren Stadt zu wohnen, die nur von herzlosen Bots beherrscht wird. Ich fühle mich auf einmal verstanden und das Gefühl der Einsamkeit hat sich in der kalten Nachtluft aufgelöst.
Wir dachten, die KI wäre weltverändernd. Und das ist sie auch. Aber definitiv nicht im positiven Sinne. Die Menschen versuchen, ihre sozialen Bedürfnisse den Ki-Bots aufzuladen, und sie scheinen nicht zu verstehen, dass das nicht funktioniert. Wir sind immer noch allein. Wir sind zusammen allein.