Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2023
Mika Marquet
Kurzgeschichte
Alle stürmen ins Online-Wahlbüro, um den nächsten Bundeskanzler zu wählen, aufgestellt sind in diesem Jahr nur zwei Kandidaten. Eldar und Valerio, ähnlicher könnten sich diese beiden nicht sein. Beide sind schlau, schlicht und strapazierfähig, als ob sie keine eigene Persönlichkeit hätten.
Eldar und Valerio hatten allerdings ja nicht einmal die Möglichkeit, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, denn KIs haben keine. Diese fehlende Persönlichkeit ist trotz des vorangeschrittenen Zeitalters im Jahr 2037 einer der größten Vorteile aber auch Nachteile eines KI-gesteuerten Menschen.
Die Wahl verlief schnell im modernisierten Online-Wahlbüro, gerade einmal 30 Minuten waren die Wahlportale geöffnet, die Auswertung war innerhalb weniger Minuten veröffentlicht und der Verlierer Valerio wurde aufgrund der Niederlage von seinem Team einfach abgeschaltet. Es gab mal wieder keine Dankesrede, denn das wäre Zeitverschwendung.
Familie Zandero sitzt abends am Tisch, sie unterhalten sich. Ben redet davon, dass die letzten Bundeskanzler sich alle gleich waren, seine Schwester erwidert: Nicht ganz, einer ist schlauer als der andere. Der Vater steht auf und sagt, macht euch darüber keine Gedanken, die wissen es ja sowieso immer am besten. Erst wackeln die Wände, dann ein dumpfer Knall und zuletzt Unklarheit. Familie Zandero sieht sich erschüttert an. Es war das beängstigende Donnern einer Bombe, keine zwei Sekunden später das nächste Donnern und das nächste. Der Fernseher springt an mit einer Eilmeldung: Ein Krieg, so plötzlich und groß, wie es niemand erwartet hätte, denn KI war doch das Wundermittel gegen Wut und Unüberlegtheit! Welche KI eines anderen Landes würde so einen unüberlegten Angriff starten? Das ist es, was sich alle im ersten Moment fragen. Die Mutter springt auf und schaut aus dem Fenster und sieht, dass die ganze Stadt in dichten, dunklen Nebel gehüllt ist. Sie schreit, wir müssen hier weg! Familie Zandero versammelt sich im Auto, sie fahren so weit und schnell, wie sie nur können, sie sehen die abgeholzten Wälder, sie hinterfragen es nicht. Ben fragt seinen Vater ängstlich, ob denn die durch künstliche Intelligenz gesteuerte Regierung überhaupt dazu imstande ist, mit Krieg umzugehen und die richtigen Entscheidungen zu fällen. Der Vater sagt, ich weiß es nicht, wir hatten, seitdem die KI in jedem Land regiert, keinen Krieg mehr, unser Alltag besteht aus weniger Problemen, Aufgaben, die keinen Spaß machen, können einfach abgegeben werden, doch das waren Aufgaben, die keine eigene Empathie benötigten, das verändert sich mit einem Krieg natürlich alles, ich meine, wie soll eine KI, die keine eigene Empathie hat, mit einer anderen verhandeln, wenn beide nur eins wollen: RECHT BEHALTEN.