Mathematisch gesehen befindet sich eine kopfstehende Pyramide im Zustand labilen Gleichgewichts: in höchster Gefahr, bei der geringsten Störung nach der einen oder anderen Seite umzukippen. Diese Lage einer stereometrischen Figur wählt Arno Reinfrank in seinem Balladenzyklus "Kopfstand der Pyramide", um den Zustand unserer Welt - den »Dauerkopfstand der DaseinsPyramide« - modellhaft vorzustellen. Eine Welt- und Lebensbeschreibung also mit philosophischen, wissenschaftlichen, kulturanalytischen, politisch-kritischen Aussagen? Gewiß, aber durch die Augen und mit den Mitteln eines Poeten, und das heißt, wie Reinfrank meint, eines, der in der Tradition der Gaukler und Narren, der Schlangenbeschwörer und Seiltänzer, der Mahner und Warner, der Propheten und Chronisten des Menschengeschlechts steht. Es geht also nicht trocken und abstrakt zu in diesem erzählenden, romanzenhaften, pyramidalen Zyklus. Dem Leser widerfährt ein ernster Spaß, ein spaßiger Ernst in der Nachfolge des aufklärerischen Wahlspruchs »Lachend die Wahrheit sagen«.