Arno-Reinfrank-Jugendpreis 2009
Hanna Freud - Zweiter Preis Gruppe älter als 13 Jahre, Kategorie Kurzgeschichte
"Ich sollte Obdachloser sagen"
Schlurf, schlurf.
Ich laufe durch Ludwigshafen. Die Einkaufsstraße entlang. Ich könnte mir etwas kaufen. Will ich das? Brauche ich ein Brötchen, ein Handy oder einen Ein-Euro Blumentopf? Diese Möglichkeit habe ich alle fünf bis zehn Meter. Ich habe die Auswahl zwischen Sonnenblumenkernbrötchen, Puddingschnecken und Schokobrötchen, zwischen Aufklapp-, Aufschiebe-. oder Universalhandy in rosa, schwarz oder silber; zwischen einem Ein-Euro Blumentopf und einem Ein-Euro Topflappen, vielleicht einem Ein-Euro Handyhalter passend zu meinem neuen Handy. Brauche ich das?
Ich laufe durch Ludwigshafen. Die Einkaufsstraße entlang. Ich könnte mir etwas kaufen. Will ich das? Brauche ich ein Brötchen, ein Handy oder einen Ein-Euro Blumentopf? Diese Möglichkeit habe ich alle fünf bis zehn Meter. Ich habe die Auswahl zwischen Sonnenblumenkernbrötchen, Puddingschnecken und Schokobrötchen, zwischen Aufklapp-, Aufschiebe-. oder Universalhandy in rosa, schwarz oder silber; zwischen einem Ein-Euro Blumentopf und einem Ein-Euro Topflappen, vielleicht einem Ein-Euro Handyhalter passend zu meinem neuen Handy. Brauche ich das?
Schlurf, schlurf.
Da rechts, ein Penner. Ich sollte Obdachloser sagen. Da rechts, ein Obdachloser. Wie er wohl heißt? Er hat wenige Zähne, und doch erstaunlich viele schwarze. Gelbe Fingernägel; weiße schuppige Haut. Eine Knollennase hat er und glasige Augen, vernarbte Lippen und fleischige Ohrläppchen. Der Rest ist hager. Wenige Haare, wie kleine Vogelnester sitzen sie auf seinem Kopf. Er trägt einen Umhang, löchrig und klebrig-schmierig; stehend vor Dreck und stinkend. Nach Urin und Kälte, Armut, Trostlosigkeit, Einsamkeit und
Da rechts, ein Penner. Ich sollte Obdachloser sagen. Da rechts, ein Obdachloser. Wie er wohl heißt? Er hat wenige Zähne, und doch erstaunlich viele schwarze. Gelbe Fingernägel; weiße schuppige Haut. Eine Knollennase hat er und glasige Augen, vernarbte Lippen und fleischige Ohrläppchen. Der Rest ist hager. Wenige Haare, wie kleine Vogelnester sitzen sie auf seinem Kopf. Er trägt einen Umhang, löchrig und klebrig-schmierig; stehend vor Dreck und stinkend. Nach Urin und Kälte, Armut, Trostlosigkeit, Einsamkeit und
Die Hose schlottert um seine Knie - stecken überhaupt Beine darin? Er trägt dicke Stiefel, der eine hat vorne ein Loch, sein dicker Zeh schaut heraus. Der Penner trägt wohl keine Socken. Ich sollte Obdachloser sagen. Der Obdachlose trägt wohl keine Socken. Sein Zehnagel ist dick und gelb, schaut ungesund aus. Wenn er lächelt, verzieht sich sein Mund zu einer Grimasse, wenige Zähne kommen zum Vorschein, viele schwarze. Er hat fauligen Atem. Er heißt wohl Karlchen.
Schlurf, schlurf.
Ein-Euro Laden, Bäcker, Handy-Shop, Penner. Ich sollte Obdachloser sagen. Ein-Euro Laden, Bäcker, Handy-Shop, Obdachloser.
Ein-Euro Laden, Bäcker, Handy-Shop, Penner. Ich sollte Obdachloser sagen. Ein-Euro Laden, Bäcker, Handy-Shop, Obdachloser.
Schlurf, schlurf.
Ob Karlchen ein Handy will?
Ihr Platz. Da muss ich rein. Das braucht Karlchen. Ich nehme einen Korb und kaufe Haar-Shampoo, Kokos oder Flower Power? Kokos-anti-Schuppen Shampoo, für extrem fettiges Haar. Ich kaufe einen Nagelknipser und Schrundensalbe, ein Duschgel mit Papayaextrakten und kleinen Peelingkörnchen. Haargel, Nivea Body Lotion, eine Zahnbürste mit Zahncreme von Elmex, blau und orange - für morgens und abends. Zahnseide und Odol Mundspray. Laufe zu Karlchen und reiche ihm die Tüte, könnte ihm dabei auch behilflich sein, erkläre ich ihm. Er schaut in die Tüte, seine glasigen Augen wandern ausdruckslos zwischen mir und der Tüte hin und her. Seine vernarbten Lippen öffnen sich ein Stück weit, der Mund steht ihm offen; ich kann den fauligen Atem riechen. Der Penner glotzt. Ich sollte Obdachloser sagen. Der Obdachlose glotzt. Karlchen glotzt. Ich gehe weiter. Karlchen wirft die Tüte in den Mülleimer neben sich, greift nach einer neuen Bierflasche, zündet sich eine Zigarette an und nimmt den Euro der vorbeieilenden Passantin nickend entgegen. Ich kehre um, laufe vorbei an dem Penner und kaufe mir ein dunkelrotes Aufklapphandy. Ich kaufe ein Vollkornbrötchen mit Frischkäse, Tomaten, Schinken, einem Blatt Salat; und ich kaufe einen Ein-Euro Plastikblumentopf, mit orangenen, grinsenden Blumenkohlköpfen darauf.
Ob Karlchen ein Handy will?
Ihr Platz. Da muss ich rein. Das braucht Karlchen. Ich nehme einen Korb und kaufe Haar-Shampoo, Kokos oder Flower Power? Kokos-anti-Schuppen Shampoo, für extrem fettiges Haar. Ich kaufe einen Nagelknipser und Schrundensalbe, ein Duschgel mit Papayaextrakten und kleinen Peelingkörnchen. Haargel, Nivea Body Lotion, eine Zahnbürste mit Zahncreme von Elmex, blau und orange - für morgens und abends. Zahnseide und Odol Mundspray. Laufe zu Karlchen und reiche ihm die Tüte, könnte ihm dabei auch behilflich sein, erkläre ich ihm. Er schaut in die Tüte, seine glasigen Augen wandern ausdruckslos zwischen mir und der Tüte hin und her. Seine vernarbten Lippen öffnen sich ein Stück weit, der Mund steht ihm offen; ich kann den fauligen Atem riechen. Der Penner glotzt. Ich sollte Obdachloser sagen. Der Obdachlose glotzt. Karlchen glotzt. Ich gehe weiter. Karlchen wirft die Tüte in den Mülleimer neben sich, greift nach einer neuen Bierflasche, zündet sich eine Zigarette an und nimmt den Euro der vorbeieilenden Passantin nickend entgegen. Ich kehre um, laufe vorbei an dem Penner und kaufe mir ein dunkelrotes Aufklapphandy. Ich kaufe ein Vollkornbrötchen mit Frischkäse, Tomaten, Schinken, einem Blatt Salat; und ich kaufe einen Ein-Euro Plastikblumentopf, mit orangenen, grinsenden Blumenkohlköpfen darauf.