Noch bleiben auf der Elemententafel
Quadrate weiß für neue Formeln,
in die hinein die Poesie der Fakten
Gott als Metapher für das Unerforschte stellt.
Da steht Er flüchtig ohne Dimensionen,
den größten der Brahmanen sichtbar
nicht länger als ein Elektronenblitz
und mathematisch nicht zu fassen.
Das Unsagbare kann auch der Poet
nicht sagen, aber sagen kann er wohl,
dass es unsagbar ist in dem Quadrat,
das weiß die Wissenschaft Ihm offenhält.
In: Fernsehabend. Poesie der Fakten 2
Wortgruppen aus zwei verschiedenen Bereichen, die gewöhnlich nichts miteinander zu tun haben, werden in diesem Gedicht miteinander verschränkt und auf einander bezogen. Auf der einen Seite
Wissenschaft
Elemententafel
Quadrate
Formeln
Fakten
Dimensionen
Elektronenblitz
mathematisch
Diesen Begriffen aus der "exakten" Wissenschaft stehen gegenüber die Wörter
Poesie
Gott
Metapher
Poet
Das Unerforschte
Das Unsagbare
Es handelt sich um ein Gedicht, in dem das Unsagbare "besprochen" wird. Daraus ergeben sich Fragen. Reinfrank spricht aber nicht von dem Unerforschlichen, sondern von dem Unerforschten, scheint es also implizit für prinzipiell erforschbar zu halten. Gott ist offenbar Metapher, ist Chiffre für das Unerforschte und das Unsagbare.
Welche Rolle kommt dem Wort "Gott" zu? Er ist "mathematisch nicht zu fassen", er ist "ohne Dimensionen". Aber ist er das nur in dem Kästchen, das die Naturwissenschaft nicht oder vielleicht noch nicht ausgefüllt hat und weiß, d. h. offen lässt?
Die "Inscrubatabilitas", die Unerforschlichkeit, wird in der Bibel auf die Stelle im Römerbrief des Paulus (11,33) zurückgeführt, wonach die Tiefe Gottes und seiner Wege, seiner Ratschlüsse unerforschlich und auch aus der Erkenntnis der Natur nicht zu ergründen sind. Will Reinfrank in der alten theologischen Tradition vom Deus absconditus sprechen, den dingfest zu machen unmöglich ist, im Gegensatz zum Deus revelatus? Karl Barth hat in seiner Theologie die Unmöglichkeit betont, von Gott zu reden, es sei denn durch ein Wunder, und zwar wegen des unendlichen Abstands zwischen Gott und dem Menschen
ECKHART PILICK